Da mir das Ziel, Hebamme werden zu wollen, schon einige Jahre lang klar gewesen ist, bevor ich dann den Weg tatsächlich antreten konnte, bin auch ich über die Sagen rund um „die Ausbildung“ gestolpert. In entsprechenden Foren für am Hebammenberuf Interessierte finden sich immens viele Gruselgeschichten über die Ausbildung. Manchmal sind es ausformulierte Erlebnisse, die geteilt werden. Oft aber nur Wortmeldungen wie „die Ausbildung war die schlimmste Zeit meines Lebens“ oder „Ich würde es, auch wenn ich meinen Beruf sehr liebe, nie wieder machen.“. Immer wieder ist ein Kritikpunkt des Bundesrats für Werdende Hebammen, dass die Ausbildungserlebnisse der Schülerinnen (und Studentinnen?) furchen in die Psychen dieser Frauen haut.
Nun kommt es natürlich darauf an, an welcher Schule man lernt zum einen. Manche Schulen scheinen prädestiniert dafür – andere weniger. Die Stimmen häufen sich oder werden nur vereinzelt gehört. Zum anderen aber wohl auch auf das Naturell der Schülerin. Oder wie mir neulich eine entfernt bekannte Mitschülerin aus einem anderen Kurs erklärte: „es kommt darauf an, ob man ein „Das Glas ist halb leer“- oder „Das Glas ist halb voll“-Typ ist.“ Sprich: selber Schuld. Geh voran mit dem Kopf und dein Arsch wird folgen.
Nun hab ich vor dem Beginn „der Ausbildung“ (geflügeltes Wort) selbst mit sehr zittrigen Beinen der Möglichkeit gegen über gestanden, das alles könne für mich eine Feuerprobe werden. Die anfänglichen Wochen der Einführung und Praxisschnüffeleien haben mich etwas aufatmen lassen. Eine Tendenz war zwar zu erkennen – aber was soll’s. „Schwund ist überall“, wie man so schön sagt. Man will ja schließlich kein „Das Glas ist halb leer“-Typ sein, nicht?
Meine Probezeit steht jetzt kurz vor ihrem Ende. Ich bin kurz davor, von einem wirklich leicht los zu werdenen Klotz am Bein zu einem mit legalen Mitteln schwer los zu werdenen Klotz am Bein zu werden. Ich finde, es ist Zeit für eine Zwischenbilanz:
Die Ausbildung ist grausam. Das ist nichts, dessen ich mich rühme á la: „Ich habe „die Ausbildung“ überlebt und alles was ich bekam war dieses Tshirt (und ein Examen)“. Die Grausamkeit besteht nicht in ihrer Hitler-Folterkeller-Grausamkeit. Es ist nichts schwarz- und weiß und auf den ersten Blick wirkt das alles sehr erträglich.
Aber der Teufel steckt im Detail (Anm. der Red.: Heute ist „platte Worthülsen“-Tag). Ich fand mich recht bald als Einzelkämpferin, mindestens aber als Minderheitenkämpferin. Nichts mit Gemeinschaft, die einen über diese Zeit trägt. Überall tuscheln stimmen darüber, dass Hebammen angeblich ein hinterhältiges Völkchen sind. So weit will ich nicht gehen – sagen wir eher, viele Hebammen haben redebedarf. Redebedarf, der nicht immer konstruktive Züge annimmt. Hebammen sind nicht frei von dem Bedürfnis nach Anerkennung und damit Anpassung an gängige Meinungen und Modelle. Hebammen sind nicht frei von der Verlockung, an der Oberfläche zu schwimmen. Wie alle anderen Leute eben auch.
Ich muss in die Bilanz einfließen lassen, dass ich wiederholt die Unmöglichkeit der Forderung an mich empfinde, einfach den Mund zu halten. Nichts zu sagen. Mitnehmen, was geht und andere nicht mehr mit meinen Ansichten und Diskussionsbedarfen zu behelligen, als ich es mit dem Gemüsehändler täte. Kopfnicken, Zustimmen, Jasagen, Mitmachen, Nachmachen, Anwenden, Üben.
Die Ansage, man werde es nicht leicht haben mit den Teams in der Praxis, wenn man so ist, wie man eben ist – die ist hart. Die Seele zuhause lassen, die leere Hülle zur Arbeit schicken – irgendwie muss das doch gehen. Klar geht das. Aber das ist dissoziieren, das ist aus dem eigenen Körper heraustreten und sich selbst nur noch als Teilnehmer an der eigenen Geschichte zu empfinden. Es grenzt daran, sich selbst Gewalt anzutun. Den Geist zurück weisen, denn er ist nicht erwünscht, die Arbeitskraft aber da lassen. All die Sachen zu tun, die unnütz oder sogar verletzend sind. Als Werkzeug des „Das ist eben so“s.
Das Wissen darum, dass das Leben in 3 Jahren weitergehen wird. Dass man nur bis dahin irgendwie überstehen muss. Und dabei ganz sicher viel vom eigenen (einigermaßen) heilen Selbstbildnis, -achtung und vertrauen zu opfern – das ist die vielgelobte Grausamkeit „der Ausbildung“.