Teil #1: *klick*
Viele Birth Activism Stimmen sagen, die Gefühle bei der Geburt sollten umbetitelt werden: Wehen werden Wellen, sie tun nicht mehr weh sondern sind intensiv, der Durchtritt des kindlichen Köpfchens ist der Höhepunkt. Die Umbenennung deshalb, weil Worte Realität erzeugen und daraus Gefühle entstehen: Ängste oder Mut. Auch den Gedanken find ich durchaus nachvollziehbar und könnte ihn fast abnicken.
Aber: was ist mit den Frauen, die Schmerzen haben? Für die sich die Geburt nicht nur intensiv, sondern auch schmerzhaft anfühlt? Haben die verloren, den Zug verpasst, nicht genügend Bücher gelesen oder zu wenig Geld in Atemkurse investiert? Laufen vielleicht deren Geburten komplett gegen die von der Evolution eigentlich hervorgebrachte Art, wie ein Kind auf die Welt kommt: intensiv, aber schmerzlos? Diese Frauen fallen vom Zug des Fanatismus, werden allein gelassen in ihrem Empfindungen – mit dem Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben oder nicht genug – mal wieder ein Versagensgefühl. Ist es nicht genau das, wofür sich die Gegenbewegung so stark macht? Natürliche Vorgänge, liebevoll begleitet und mit dem Staunen über die eigene Kraft bestreuselt?
Was ist eigentlich dieser vielbesprochene Schmerz während der Wehen? Aus der Sicht der körperlichen Physiologie beschreibt beispielsweise die italienische Hebamme Verena Schmid die ganze Angelegenheit in ihrem Buch „der Geburtsschmerz – Bedeutung und natürliche Methoden der Schmerzlinderung“ (Hippokrates-Verlag).
Und die emotionale Komponente? Was macht der Schmerz mit uns? Das ist eine der Fragen, die geflutet werden von Antworten aus meinem eigenen Erfahrungsschatz.Der Schmerz kann einen entmächtigen, er kann einen untergehen lassen, uns zeigen wie nichtig und unwichtig wir sind. Über unseren Geist, unsere Wünsche und Ideale hinweg greift er nach unseren Körpern und reduziert uns auf das Tier, das wir sind.
Klingt ganz schön negativ? Und wenn man es so herum betrachtet: er macht uns demütig. Wir sind Tierfrauenm, die ihr Junges auf die Welt bringen – wie Millionen anderer Tierfrauen vor uns. Ein Instrument des Lebens, zwingt es uns, die Dinge los zu lassen, die uns ängstigen oder begrenzen. Es zwingt uns, uns in den Rythmus zu fügen, der schon immer existiert hat.
Wer nicht loslassen kann, dem werden die Finger gebrochen – das Gefühl der Gewalt, der Entmächtigung bleibt. Wer selbst loslässt wird davon getragen und spürt, welche Stärke daraus entsteht. Sich dem Leben hingeben, nicht alles planen müssen, in sich selbst die Kräfte und Werkzeuge finden, die man braucht um durch das Leben zu gehen. Plötzlich muss man keine Koffer voller Wissen mehr mit sich herumtragen, man trägt alles was man braucht in sich. Dieses Wissen ist enorm wertvoll – es macht einen mutig, es bringt Vertrauen in sich selbst und dass das Leben seinen Weg geht.
Es hilft einem, sich im Leben mit dem neuen kleinen Wesen zurecht zu finden, dass man soeben in die Welt gebracht hat. Mit dessen Rythmen zu gehen und das Wissen, dass die Dinge einfach manchmal nur passieren müssen – ohne dass man eingreift.
Als Fazit lässt sich sagen: der Geburtsschmerz ist nicht sinnlos. Es tut ihm Unrecht, ihn wegdiskutieren zu wollen – er hat eine große Aufgabe. Jede Frau ist anders, jede Geburt auch – jede braucht einen anderen Grad an Schmerzhaftigkeit, um nach innen zu finden oder auch Mauern in sich selbst einzureißen. Der Schmerz darf da sein – wie eine Frau ihm begegnet ist die Frage. Und die darf und sollte sich jede Frau und Hebamme weiterhin stellen.